Solidardividende, ein Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit?
Der Kapitalismus ist zweifelsohne die Grundlage unseres gesellschaftlichen Wohlstandes. Niemals zuvor ging es den Menschen besser als heute! Dennoch hat dieses Wirtschaftssystem auch seine Schattenseite. Das System ist in seiner jetzigen Form nicht darauf ausgelegt, alle Marktteilenehmer am wachsenden Wohlstand partizipieren zu lassen.
Gewinne und unternehmerische Macht konzentrieren sich immer weiter in den Händen von Wenigen. Unternehmerische Langfristziele müssen Kurzfristzielen weichen, um am Kapitalmarkt weiterhin sexy für die Masse der Anleger zu erscheinen. Die Auswirkungen sind oftmals tragisch, sowohl für Region, Gesellschaft als auch Einzelschicksale!
Es stellt sich also die Frage, kann eine Solidardividende einen Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit leisten?
Steigende Dividenden zu Lasten der Gemeinschaft?
Steigende Dividendeneinnahmen und Kursgewinne sind die Basis auf welcher wir Dividendeninvestoren unsere Unternehmen aussuchen und investieren! Oftmals haben allerdings unternehmerische Entscheidungen, zugunsten des Shareholder Value, negative Auswirkungen auf Region und Gesellschaft! Sprich, nicht alles was gut für uns Aktionäre ist, hat auch einen gesellschaftlichen Mehrwert!
„Siemens streicht 7.000 Jobs und schließt Werke in Ostdeutschland“
Mitte November, also kurz vor Weihnachten, verkündet die Siemens AG einen Mitarbeiter-Kahlschlag in Höhe von 7.000 Jobs. Neben internationalem Stellenabbau sollen ganze Werke in Görliz und Leipzig geschlossen werden. Natürlich wird ausdrücklich von der Unternehmensführung darauf hingewiesen, dass dies im Idealfall ohne Entlassungen umgesetzt werden soll. Egal wie es auch kommen mag, in Summe wird Siemens künftig 7.000 Mitarbeiter weniger beschäftigen und die Regionen werden langfristig unter dieser unternehmerischen Entscheidung zu leiden haben.
Unterliegt der Siemens Vorstand einem unternehmerischen Zwang?
Klar ist, der Vorstand muss im Sinne des Aufsichtsrates und somit im Sinne der Anteilseigner (wir Aktionäre) handeln. Doch Fakt ist auch, neben dem Wunsch nach Rendite gibt es auch eine gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Unternehmen haben den Zweck mit Ihren Produkten und Dienstleistungen der Gesellschaft zu dienen, nicht umgekehrt.
Rechtfertigt somit das aktuelle Marktumfeld und das operative Ergebnis einen solchen Schritt?
Siemens ist ein weltweit führendes Unternehmen, tätig in den verschiedensten Branchen. Mit 351.000 Mitarbeitern (Stand 2017) beschäftig es ca. 56.000 Mitarbeiter mehr, als sein stärkster Konkurrent General Electric. Das operative Ergebnis je Aktie lag seit dem Jahr 2011 nicht mehr unter 5,00 EUR, im Jahr 2017 gar bei 7,44 EUR! Operativ läuft es also bei Siemens!
Klar ist allerdings auch, nur weil der Gesamtkonzern schwarze Zahlen schreibt, sollten schlecht laufende Geschäftsbereiche nicht langfristig quersubventioniert werden. Hier muss man sich aber die Frage stellen, ob schlecht lediglich bedeutet, dass Zielrenditen der Anteilseigner nicht erreicht werden, oder die betroffenen Bereiche tatsächlich operative Verluste einfahren. Im Falle Siemens ist ersteres der Fall!
Siemens, des Aktionärs Lieblings!
Siemens ist ein Vorbild in Bezug auf seine Dividendenpolitik. Seit 17 Jahren keine Reduzierung der Dividende und eine durchschnittliche jährliche Steigerungsrate von ~8%. Von solchen Gehaltswachstumsraten können Angestellt und Arbeiter nur träumen.
Zwischen 2009 und 2017 wurden mehr als 20.8 Milliarden Euro an die Aktionäre ausgeschüttet. Für das abgelaufen Geschäftsjahr 2017 sind bereits 3.1 Milliarden an Ausschüttungen fest eingeplant.
Wie passen Rekordausschüttungen und Stellenabbau zusammen?
Stetig steigende Dividenden erfordern eine stetige Verbesserung des operativen Ertrages je Aktie. Im Idealfall schafft es das Management die Ertragskraft je Aktie durch steigende Umsätze zu verbessern. Funktioniert dies nicht, können Aktien am Markt zurückgekauft werden, um den Ertrag je Aktie zu steigern. Fehlen hierzu allerdings die Mittel, dann muss die Kostenposition (z.B. Stellenabbau) herhalten.
Siemens treibt es auf die Spitze!
Seit dem Jahr 2014 konnte der Umsatz jedes Jahr gesteigert werden. Hat Siemens im Jahr 2014 noch ca. 72 Mrd. EUR erlöst, so waren es 2017 bereits 83 Mrd. EUR. Zusätzlich wurde im November 2015 ein Aktienrückkauf Programm mit einem Volumen von bis zu 3 Mrd EUR gestartet, gültig bis 15.11.2018. Zum heutigen Aktienkurs entspräche dies ca. 25.6 Millionen rückgekaufter Aktien. Hinzu kommt eine jährliche Dividendenerhöhung seit 2014 in Höhe von 5.4% (CAGR). Siemens untermauert somit seine Ambition, ein dem Aktionär wohlgesonnenes Unternehmen zu sein.
Auswirkungen von Standortschließungen auf Region und Gesellschaft
Größere Standortschließungen sind oftmals mit katastrophalen Nebenwirkungen für Region und Gesellschaft verbunden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich bei den Standorten sowieso schon um strukturschwache Regionen handelt. Übertriebene Renditeanforderungen können somit nicht nur Einzelschicksale, sondern auch gleich ganze Landstriche ins Verderben stürzen.
Solidardividende, ein Beitrag der Aktionäre zu mehr Gerechtigkeit?
Sollten wir Aktionäre nicht einen langfristigen Blick auf unsere Investments haben? Sollte es uns nicht am Herzen liegen, dass die Gesellschaft in der wir leben und von der wir profitieren funktioniert? Sollten Arbeitsplatz- und Standortsicherung in unseren Heimatländern nicht Priorität vor Umsatz und Ergebnissteigerung haben? Wie können sich Anteilseigner in einer Gesellschaft fühlen, die immer weiter auseinander driftet? Dies sind wichtige Fragen nicht nur für die Politik, sondern auch für uns Aktionäre, denn wir tragen maßgeblich dazu bei welche Renditeforderungen an das Kapital gelten. Könnte eine Solidardividende eine Möglichkeit für mehr Gerechtigkeit sein?
10% Solidardividende zum Aufbau eines Stiftungsvermögens
Würden Aktionäre sich bereiterklären, auf 10% Ihrer Dividende zu verzichten, so kämen alleine anhand des Siemens Beispiels 2.3 Mrd. EUR seit dem Jahr 2009 zusammen. Auf Basis der DAX 30 Ausschüttungen seit 2003 (348 Milliarden Euro) betrüge das Stiftungsvermögen, auf Basis einer 10% Solidardividende, bereits 35 Milliarden Euro.
Was ist eine Stiftung und wie könnte das Stiftungsvermögen eingesetzt werden?
Eine Stiftung verfolgt das Ziel, ein Vermögen (Grundstock) auf Dauer zu erhalten und z.B. Zins- oder Dividendenerträge dem Stiftungszweck zuzuführen. Bei einem Stiftungsvermögen in Höhe von 35 Milliarden EUR könnten bereits über 1 Mrd. EUR p.a. dem Stiftungszweck zugeführt werden.
Wäre dies nicht eine gute Möglichkeit einen Stiftungszweck zu verfolgen, welcher ökonomische Schäden durch unternehmerische Entscheidungen, ob operativ notwendig oder rein strategisch bedingt, etwas abfedert?
Welchen Nutzen ziehen wir Aktionäre aus einer Solidardividende?
Klar, an erster Stelle steht ein 10% niedrigeres Dividendeneinkommen für uns alle. An zweiter Stelle kommt dann aber schon der gesellschaftliche Nutzen. So könnten zum Beispiel im Falle von Standortschließungen, betroffenen Regionen vom ökonomischen Zerfall geschützt, Menschen die Angst vor sozialem Abstieg genommen und Investitionsoffensiven in strukturschwachen Gebieten durchgeführt werden.
Ein sozialerer Kapitalismus welcher dazu beiträgt, das Solidargefühl der Gesellschaft zu stärken ist unabdingbar, wollen wir Aktionäre auch die kommenden Jahrzehnte das erfolgreichste Wirtschaftssystem aller Zeiten zu unseren Gunsten nutzen und in Frieden und Sicherheit leben!
Eure Meinung zur Solidardividende
Was denkt Ihr? Hätte eine Solidardividende zur Gründung einer Stiftung, als Zwangsabgabe auf Dividendenerträge, bei Euch eine Chance?
Anmerkung: Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, investiert.