Wer aktive Geldanlage betreibt und sich über die quantitative Bewertung von Aktien informiert, stößt früher oder später, wie ich auch auf die sogenannte Levermann-Strategie. Als Zahlen, Daten, Fakten liebender und neugieriger Mensch habe ich mir das Buch von Susan Levermann gleich gekauft und gelesen. In diesem Artikel werde ich Dir die Levermann-Strategie erläutern und mein persönliches Fazit ziehen. Wenn Du den Artikel gelesen hast, verstehst Du die Bewertungsmethodik und kannst anfangen, Aktien nach der Levermann-Strategie zu bewerten.
Unternehmen systematisch nach der Levermann-Strategie bewerten
Susan Levermann, eine ehemalige Star-Fondsmanagerin bei der DWS, der Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, verwaltete 1,7 Milliarden Euro in europäischen und deutschen Aktienfonds und wurde Anfang 2008 als Fondsmanagerin für den besten deutschen Aktienfond über ein und drei Jahre ausgezeichnet. Daraufhin verließ Sie die DWS und arbeitete zuerst als Aushilfslehrerin Mathematik und ist mittlerweile „Head of Operations“ beim Carbon Disclosure Project (CDP), einer gemeinnützigen Umwelt-Organisation in Berlin. In Ihrem Buch mit dem reißerischen Titel „Der entspannte Weg zum Reichtum„, einem Börsenratgeber für Einsteiger, erläutert Sie ihre persönliche Anlagestrategie. Das Buch wurde mit dem deutschen Finanzbuchpreis 2011 ausgezeichnet.
Einfache Regeln und Kennzahlen als Bewertungsbasis zeichnen die Levermann-Strategie aus.
Die auf reinen Kennzahlen basierende Anlagestrategie hilft bei der objektiven Bewertung von Aktien und macht diese untereinander vergleichbar. Durch die objektive Bewertung werden Emotionen, die die Aktienauswahl unbewusst beeinflussen können, außen vorgelassen. Es werden je Aktie, 13 Kennzahlen ermittelt und nach vorgegebenen Kriterien bewertet. Die Kennzahlen lassen sich in unterschiedliche Kategorien, wie wirtschaftliche Qualität, Bewertung des Kurses, Stimmung an der Börse, Kursmomentum, Technik und Wachstum untergliedern.
Wirtschaftliche Qualität
Eigenkapitalrendite (englisch Return on Equity ROE): Hier zeigt sich, wie effizient das Eigenkapital eingesetzt wird und wie es sich innerhalb einer Periode verzinst hat. Geteilt wird der Nachsteuergewinn einer Gesellschaft durch das Eigenkapital. Eine Eigenkapitalrendite über 20 Prozent erhält einen Pluspunkt. Weniger als zehn Prozent werden mit einem Minuspunkt bewertet, alles andere ist neutral (null Punkte).
EBIT-Marge: Die EBIT-Marge (EBIT steht für Earnings Before Interest and Taxes: Gewinn vor Zinsen und Steuern) zeigt die Profitabilität eines Unternehmens ohne die Verzerrung durch verschiedene Steuersätze und Zinszahlungen. Sie beschreibt das Verhältnis von Gewinn vor Steuern und Zinsen zum Umsatz und wird mit folgender Formel ermittelt: $latex 100*\frac{EBIT}{Umsatz}&s=1$
Eine EBIT-Marge über zwölf Prozent erhält einen Pluspunkt, weniger als sechs Prozent werden mit einem Minuspunkt gewertet.
Eigenkapitalquote: Hier lässt sich die Kapitalstruktur eines Unternehmens erkennen und ableiten wie verschuldet ein Unternehmen ist. Geteilt wird das Eigenkapital des Unternehmens durch die Bilanzsumme (Gesamtkapital). Mehr als 25 Prozent Eigenkapital bringen einen Pluspunkt, weniger als 15 Prozent einen Minuspunkt. Der Bereich dazwischen 0 Punkte.
Bewertung des Kurses
Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV englisch Price-Earnings-Ratio (PER) oder P/E Ratio) über fünf Jahre: Bei dieser Kennzahl wird der aktuelle Aktienkurs mit dem Gewinn der letzten drei Jahre, dem erwarteten Gewinn für das aktuelle und das nächste Geschäftsjahr pro Aktie in Relation gesetzt. So lässt sich erkennen, ob eine Aktie aktuell eher über- oder unterbewertet ist. Ein niedriges KGV weist auf eine im Vergleich zum Durchschnittsmarkt eher günstige Aktie hin. Ein KGV von null bis unter zwölf erhält einen Pluspunkt, Werte größer als 16 einen Minuspunkt. Dazwischen gibt es 0 Punkte.
KGV aktuell: Analog der fünf Jahresbetrachtung wird der aktuelle Aktienkurs mit dem erwarteten Gewinn des aktuellen Geschäftsjahres in Relation gesetzt.
Stimmung an der Börse
Analystenmeinungen: Viele Anleger richten sich nach den Prognosen, daher wird bei der Levermann-Strategie genau gegensätzlich dieser Analystenmeinungen entschieden umso Überbewertungen zu vermeiden. Beobachten mindestens fünf Analysten das Unternehmen und raten diese mehrheitlich zum Verkauf, erhält die Aktie einen Pluspunkt. Beobachten mindestens fünf Analysten das Unternehmen und raten mehrheitlich zum Kauf, gibt es einen Minuspunkt.
Quartalszahlen: Immer, wenn die Quartalszahlen einer Aktiengesellschaft veröffentlicht werden, reagiert der Markt und der Aktienkurs verändert sich. Gleichzeitig bewegt sich auch der Gesamtmarkt aufgrund von Faktoren, die nicht unternehmensspezifisch sind, d.h. alle Aktien steigen oder fallen im Durchschnitt. Um diese durchschnittliche Änderung des Vergleichsindizes wird die Änderung der zu bewerteten Aktie bereinigt. Liegt die bereinigte Reaktion auf die Quartalszahlen um mindestens ein Prozent über dem Vergleichsindex, gibt es einen Pluspunkt. Liegt der Wert dagegen mindestens ein Prozent unter dem Vergleichsindex, folgt ein Minuspunkt.
Kursmomentum
Gewinnrevision: Auf Basis Gewinn je Aktie (englisch earnings per share, kurz EPS) wird die prozentuale Änderung der Erwartungen in den letzten 4 Wochen berechnet. Ändern sich die Erwartungen um mehr als fünf Prozent nach oben oder unten, wird die Aktie auf- oder abgewertet. Ansonsten wird das Ergebnis als neutral gewertet.
Kursverlauf der letzten sechs Monate: Wie hat sich die Aktie im letzten halben Jahr entwickelt? Besteht ein Aufwärts- oder Abwärtstrend? Ist der Kurs um mindestens fünf Prozent gestiegen, gibt es einen Pluspunkt. Ist er um fünf oder mehr Prozent gefallen, ist ein Minuspunkt fällig.
Kursverlauf der letzten zwölf Monate: Analog der vorherigen Kennzahl wird hier ein längerer Zeitraum, analog zur kürzeren Betrachtung, bewertet.
Kursmomentum: Aus der Entwicklung des Aktienkurses der letzten sechs und zwölf Monate wird ablesen, ob es eine Trendwende gegeben hat. Eine Trendumkehr zum Positiven erhält einen Pluspunkt, eine negative Trendwende wird mit einem Minuspunkt gewertet.
Technik
Reversaleffekt: Diese Kennzahl zeigt, wie sich die Aktie in den letzten drei Monaten in Relation zum Vergleichsindex entwickelt hat. Um einen günstigen Kaufzeitpunkt zu finden, erhalten Aktien mit negativem Verlauf im Vergleich zum Vergleichsindex ein Pluspunkt. Liegt die Performance darüber, gibt es ein Minuspunkt.
Wachstum
Gewinnwachstum: Diese Kennzahl zeigt das Ergebnis des Vergleichs aus dem Gewinn des letzten Jahres und der aktuellen Gewinnerwartung für das laufende Jahr. Gewinnerwartungen, die das Vorjahresergebnis um mindestens fünf Prozent übersteigen, erhalten einen Pluspunkt. Fünf Prozent weniger Gewinn als im Vorjahr zählen als ein Minuspunkt. Werte dazwischen werden mit 0 Punkte bewertet.
Die Ergebnisse steuern das Verhalten
Nachdem die 13 Kennzahlen der Levermann-Strategie ermittelt und bewertet wurden, erhält jede Aktie einen Punktwert. Die Punktwerte geben Dir das Verhalten vor:
In Aktien mit vier (sog. „Large Cap“) oder mehr Punkten (sieben Punkte bei mittlere und kleine Unternehmen) darf investiert werden.
Sobald eine Aktie einen Wert von zwei Punkten („Large Cap“) bzw. vier Punkten („Small and Medium Cap“) oder schlechter erreicht, soll diese verkauft werden.
Das Portfolio soll alle 14 Tage überprüft werden und bei Bedarf umgeschichtet werden.
Im Hinblick auf Diversifikation wird empfohlen auf 10 bis 30 verschiedene Werte zu setzen.
Angepasste Bewertungskriterien hat Levermann für „Finanzwerte“ wie Immobilien-, Banken-, Versicherungswerte sowie Börsenanbieter. Hier ist z.B. die Anforderung an die Eigenkapitalquote geringer, da die Geschäftsmodelle mehr Fremdkapital benötigen. Die Details hierzu können im Buch nachgelesen werden.
Fazit
Die Levermann-Strategie richtet sich an aktive Investoren und ist im Gegensatz zu passives Anlegen z.B. in ETFs immer zeitaufwendiger. Für aktive Investoren, oder solche die es werden möchten, bietet die Levermann-Strategie einen guten Einstieg in eine objektive Anlagestrategie beruhend auf Kennzahlen. Durch die klaren Vorgaben des Kennzahlensystems, wann ge- und verkauft wird, gehören emotionale Handlungen der Vergangenheit an.
Im Hinblick auf den Buchtitel „Der entspannte Weg zum Reichtum“, lässt sich sagen, dass es sicherlich entspannend ist, ohne Emotionen zu handeln und sich nach klaren Vorgaben zu richten. Andererseits, ist die Kennzahlenbeschaffung und -bewertung sicherlich nicht entspannend, lässt sich jedoch automatisieren. Aufgrund der Popularität gibt es mittlerweile auch einige Anbieter im Internet, die die Bewertung nach Susan Levermann für einige Indizes bereitstellen.
Jeder Anleger sollte für sich selbst entscheiden, ob die Strategie etwas für Ihn ist. Es gibt sicherlich einige Kennzahlen, über die man diskutieren oder aber auch für die eigene Strategie anwenden kann. Im kurzfrist Horizont scheint die Strategie bisher gut zu funktionieren, was z.B. das investierbare Wikifolio wf00quinte (ISIN: DE000LS9AJF5) „Qualtität, angelehnt an Susan Levermann“ vom Trader Leise beweist. Das Wikifolio wurde im November 2012 erstellt und zeigt bisher eine beachtliche Performance von über + 230% seit Emission (akt. Stand 22.08.2017) und hat über 33 Mio. Euro an investiertem Kapital eingesammelt:
Was haltet Ihr von der Levermann-Strategie und habt Ihr bereits Erfahrungen über die Ihr berichten könnt?
Schreibt mir doch ein Kommentar, ich würde mich sehr darüber freuen.